Einführung in den Technetoismus

Der Technetoismus ist eine Lehre vom Erschaffen – sein Ziel besteht darin, dem Menschen die Fähigkeit zu geben, beliebige Welten zu erschaffen und diese darzustellen und wahrnehmbar zu machen. Damit soll das alte Streben des Menschen nach der Fähigkeit, die Welt nach seinen Vorstellungen zu erschaffen, auf ästhetischer Ebene vollständig und grenzenlos verwirklicht werden.

Grundlage des technetoistischen Verständnisses von der Welt ist der Gedanke, dass die real existierende Umgebung, wie sie über die menschlichen Sinnesorgane wahrgenommen wird, und durch menschliche Handlungen beeinflusst werden kann, durch die ästhetischen Mittel künstlich emuliert wird, d. h. an Stelle der physischen Realität treten Informationen, die den Sinnesorganen in ihrer Wirkung gleichberechtigte Erfahrungen geben. Dieser Grundgedanke ist mit Beginn der Kulturgeschichte bekannt und keine neue Erfindung aus der technetoistischen Lehre, jedoch ist es der Technetoismus, welcher diese Überlegungen systematisiert, um zu ermöglichen, sämtliche möglichen Welten so wirken zu lassen, dass sich ihre Erscheinung in Bezug auf das Niveau und die Qualität nicht von der Realität abgrenzen lässt, und so möglicherweise die Vollendung der menschlichen Schaffensfähigkeit werden kann.

Die eben angesprochene Erzeugung von Informationen, die an die Sinnesorgane übertragen werden, mag wegen der abstrahierten und allgemeinen Formulierung stark an die jüngst entwickelte VR-Technologie (virtuelle Realität) oder ähnlichen erinnern, und obwohl diese zweifelsfrei relevant ist, kann auch die einfachste Form der Zeichnung oder Literatur beispielsweise dafür gebraucht werden. Nicht die Kunst selbst sondern die Art und Weise, wie der Technetoismus die Kunst auffasst und mit ihr umgeht, ist die Besonderheit.

Der Technetoismus besteht aus drei Merkmalen, die im folgenden erklärt werden sollen: das Universum, die ästhetischen Mittel und die Panstilistik. Gerade erstere stehen in einem Zusammenhang, der es unnötig kompliziert machen würde, nun drei Sektionen zu verfassen, in denen jeder dieser Begriffe für sich erklärt wird – vielmehr möchte ich das bisher erwähnte genauer erläutern, und dabei diese Begriffe einbeziehen.

Das Universum ist eigentlich nur ein spezifischer Begriff für die Welt, welche erschaffen werden kann. Mit dem Begriff Universum ist keineswegs ein astronomischer Raum gemeint, sondern alleine die Beschreibung einer Informationsmenge, welche Definitionen für Orte, Personen etc. enthält. In etwa lässt sich feststellen, dass ein technetoistisches Universum jeden Parameter haben kann, der das reale Universum (dieses beschreibt den gesamten Raum, der existiert, also nicht nur das Sonnensystem oder die Milchstraße) ebenfalls aufweist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die geschaffene Welt bzw. deren Beschreibung, die auch Dokumentation genannt wird, Angaben über die Temperatur weit entfernter Sterne enthalten muss, wenn das eigentlich wichtige im Universum sich auf einigen tausend Hektar Fläche und drei Städten abspielen wird.

Wichtig ist, dass die Dokumentation des Universums selbst noch keine Handlungen oder Ereignisse definiert, da es sich hierbei noch nicht um die eigentlichen Werke (welche die Darstellung und Wahrnehmung umsetzen) handelt, sondern nur um eine sachliche Beschreibung. Eine Dokumentation kann z. B. aus Kartenmaterial und der Beschreibung von Personen bestehen, welche die Welt (also das Universum) definiert. Eine solche Dokumentation ist dabei Grundlage für beliebig viele Implementierungen – dies bezeichnet die Nutzung eines ästhetischen Mittels (z. B. die Kunst; später mehr dazu), um einen Aspekt des Universums darzustellen. Ein Aspekt ist eine Anordnung, welche aus der Dokumentation einen tatsächlich implementierbaren Inhalt hervorbringt. Dies ist beispielsweise die Entscheidung, ein Gebäude aus einem Universum (dessen Dokumentation dieses ja nur sachlich beschreibt) zu malen, und zwar nicht zur bloßen Abbildung für die Dokumentation, sondern um das eigentliche Ziel, das Universum wahrnehmbar zu machen bzw. es darzustellen, zu erreichen. Ein Aspekt hat häufig, jedoch nicht notwendigerweise, auch das Merkmal, dass er eine Handlung definiert, die sich in den Orten des Universums zuträgt, und dabei als Charaktere auf die des Universums zurückgreift

Die ästhetischen Mittel, welche ja dazu verwendet werden, um den Aspekt des Universums zu implementieren, sind Methoden, um Informationen wahrnehmbar zu machen. Hierbei ist die Kunst als Möglichkeit sehr naheliegend; der Technetoismus betrachtet die Kunst jedoch nur als eine von vier ästhetischen Mitteln, die nachfolgend aufgeführt und kurz thematisiert werden:

Vorstellung – das einfachste ästhetische Mittel ist die Vorstellung. Hierbei wird der Universumsaspekt, gewissermaßen vor dem geistigen Auge, vorgestellt. Es handelt sich um eine Methode, welche relativ umfangreiche Möglichkeiten, aber auch ebenso gravierende Beschränkungen hat: Zwar ist es möglich, geradezu alles vorzustellen, allerdings ist eine erhebliche Problematik, dass es keinerlei Revision oder kritische Betrachtung gibt, da alle Denkvorgänge „in Echtzeit“ ablaufen. Hierdurch kann schnell eine ästhetisch unzulängliche heile Welt entstehen, die unrealistische Bedingungen ausweist. Zudem können (anders als etwa ein Kunstwerk) die Gedanken nicht an ein Medium gebunden und anderen zugestellt werden. Die Vorstellung trägt sich alleine in dem Nervensystem der Person zu, welche es ausführt, und kann diese nicht unmittelbar kommunizieren.

Kunst – ein bereits thematisiertes ästhetisches Mittel ist die Kunst. Diese ist von besonderer Bedeutung, da sie von allen vier die umfangreichste Geschichte hat, und bereits eine enorme Auseinandersetzung mit ihr erfolgte. Wie bereits eingangs erwähnt ist im Technetoismus nicht die Kunst selbst von der größten Bedeutung, sondern, wie mit ihr umgegangen wird. Die Kunst (darunter insbesondere Musik, Literatur, Malerei, Film uvm.) ermöglicht es, den Aspekt des Universums dauerhaft und als Information zu fixieren, wie es beispielsweise bei notierter oder aufgenommener Musik oder jeder anderen Repräsentation von Kunst als Datenmenge erfolgt. Hierdurch kann Kunst – im Gegensatz zu der Vorstellung – an andere übertragen werden, und auch vom Urheber selbst zu späteren Zeitpunkten erneut wahrgenommen werden.

Simulation – diese verwendet mathematische Regeln, um die Interaktion mit einem Universumsaspekt zu ermöglichen. Ein Beispiel dafür könnte ein Kampf sein, der durch eine Simulation implementiert wird – dies ist aus dem Alltag bereits vom Computerspiel bekannt, wobei hier darauf zu achten ist, dass Abbildungen, Musik und andere Mediendateien nicht selbst teil der Simulation sind, sondern gewissermaßen zu deren Gestaltung beitragen, und eigentlich der Kunst zuzuordnen sind, während die Simulation selbst die bloße Programmierung ist. Ein einfaches Beispiel für die Simulation ist die Hydra, welche der griechischen Mythologie entstammt: Werden einer Hydra im Kampf Köpfe abgeschlagen, wächst die doppelte Anzahl der Köpfe nach. Dies kann sehr einfach als mathematische Regel programmiert werden, und so der Kampf gegen die Hydra als Simulation erfolgen. Ebenso können Aspekte aus einem Universum als Simulation existieren.

Ästhetisches Verhalten (ÄV) – das letzte ästhetische Mittel ist das ästhetische Verhalten. Hierbei wird das menschliche Verhalten an den Universumsaspekt angepasst, was die Übernahme der Eigenschaften von Personen aus dem Universum (auch in Gruppen von anderen, welche ÄV praktizieren) ermöglicht, aber auch andere Handlungen und Verhaltensmuster, welche dem Universum entsprechen, beispielsweise das Ausüben von Traditionen, die dem Universum entnommen sind. Ein Beispiel für ÄV ist das Rollenspiel: Hierbei führen Personen einen Dialog, in dem sie sich spontan und dynamisch (also in Reaktion auf die Äußerungen der anderen Teilnehmer) äußern, als wären sie die Charaktere des Universums. Dies unterscheidet sich fundamental etwa von einem Theaterstück (hier ist das ästhetische Mittel Kunst), in dem der Dialog von einem Urheber verfasst und von den Schauspielern gesprochen wird. Es richtet sich somit an die Zuschauer, während das ästhetische Verhalten vor allem für die Wahrnehmung der Personen die es ausüben selbst gedacht ist, und möglicherweise bewusst kein Publikum vorgesehen ist.

Mit den nun angeführten Methoden kann also ein Universum geschaffen werden, indem es als Text beschrieben wird (→ Dokumentation), und die eben behandelten vier ästhetischen Mittel zur Darstellung eingesetzt werden. Das Universum ist dabei gewissermaßen unendlich, indem nicht etwa ein einzelner, umfangreicher Roman verfasst wird, der alle Details dieses Universums beschreibt und erklärt, sondern je nach Aspekt, den ein Künstler für ästhetisch wertvoll erachtet, explizite Werke geschaffen werden, die den Bezug zum selben Universum haben. Dies soll nur eine grobe Einführung in die Themen Universum und ästhetische Mittel sein, um das Potential des Technetoismus als starke Erweiterung gegenüber den allgemein im Bewusstsein stehenden Möglichkeiten der Kunst auszudrücken. Weiterführende Themen, welche hier beispielsweise nicht thematisiert werden, sind die Kombination der ästhetischen Mittel untereinander sowie die sogenannte Gateway-Theorie, welche sich damit auseinandersetzt, Einwirkungen auf das Universum zu koordinieren und dadurch erst praktisch zu ermöglichen.

Als letztes möchte ich noch kurz die Panstilistik ansprechen, obwohl auch diese einen Umfang hat, der das überschreitet, was für diese Einführung angemessen ist, und eher erklären soll, was der Gedanke dieser Philosophie ist. Bisher wurde beantwortet, was dargestellt werden soll, nämlich ein Aspekt aus dem Universum, und welche Methoden dafür verwendet werden – die vier ästhetischen Mittel, unter denen die Kunst nur eins ist. Noch nicht geäußert wurde jedoch die Frage, welcher Stil bei dem Gebrauch von Kunst eingesetzt werden sollte. Da jeder Stil aus eigenen philosophischen Grundhaltungen hervorgegangen ist, und damit seine eigene Wirkung im Sinne dieser Ideen erzielt, ist die Idee der Panstilistik, auf alle existierenden Stile zurückzugreifen – damit ist nicht gemeint, dass jeder einzelne Stil in einem Werk tatsächlich zum Einsatz kommt, aber, dass alle in Betracht gezogen werden, und nach Wirkung und Hintergrund gebraucht werden. Beispielsweise hat ein Gemälde von einem Wald im Sinne der Romantik (umfangreiche Arbeit mit Licht und Schatten; detaillierte und natürliche Darstellung der Bäume, Sträucher etc.) eine völlig andere Wirkung als eine geometrisch sehr regelmäßige Anordnung von 12 × 12 Bäumen, die aus einer kugelförmigen, grünen Baumkrone und einem Zylinder als Stamm bestehen: Während die erste Darstellung die Natur, und eventuell auch Emotionen wie Stille oder Bedrohung nahelegen mag, ist die zweite darauf fokussiert, die Größe des Waldes und dessen grobe Struktur dem Betrachter relativ sachlich zu vermitteln. Beides kann abhängig vom Kontext angemessen sein, eine ziemlich gute Regel zur Panstilistik, die ausdrücklich auch zu unkonventionellen Methoden aufrufen soll, ist: Alles ist erlaubt, solange die Entscheidung gegenüber allen anderen begründet bevorzugt werden kann, oder mit anderen Optionen zusammen absolut gleichwertig ist. (Mit „erlaubt“ ist selbstverständlich keine juristische Forderung gemeint, sondern, dass das Einhalten der Regel der Philosophie der Panstilistik folgt, das abweichen jedoch vermutlich nicht.)

Ich hoffe, dass diese Einführung vermitteln konnte, welche Möglichkeiten der Technetoismus und seine Fähigkeit, Welten beliebig zu erschaffen und darzustellen, bietet, und hoffe, er konnte das Interesse daran wecken, auch die in Arbeit befindlichen anderen Artikel zu lesen. Es handelt sich um viel mehr als um einzelne Kunstwerke – es ist eine Weltanschauung, welche Aussagen darüber trifft, welch unglaublichen Welten der Mensch erschaffen und betreten kann.

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