Wer auf dieser Internetseite liest, könnte schnell festgestellt haben, dass, wenn im Zusammenhang mit dem ästhetischen Mittel Kunst die Musik erwähnt wird, hier oft ein enger Bezug zur klassischen Musik besteht, etwa, wenn als Beispiel für ein Musikwerk die sinfonische Dichtung erwähnt wird. Aber warum ist das so? Warum wird die klassische Musik viel häufiger als Beispiel erwähnt, als etwa Metal, Trance oder Rap?
Zunächst sollte hier vielleicht eine mögliche Einschätzung aufgegriffen werden, welche durch die ausgehende Fragestellung schon impliziert wurde, aber eigentlich gar nicht zutrifft: Die Betrachtung der klassischen Musik als ein Genre. Hört man verschiedene Werke der, sagen wir, Rockmusik, wird einem - selbst wenn diese innerhalb von 50 Jahren entstanden - immer eine gewisse Gemeinsamkeit auffallen, welche eben dieses Genre definiert. Dies kann beispielsweise darin auftreten, dass die Instrumentation, der Rhythmus oder auch der typische Inhalt des Gesangstextes viele Parallelen aufweist. Hören wir jedoch ein Werk von Mozart und von Mahler an, findet sich diese Gemeinsamkeit allenfalls noch darin, dass die Instrumente gleich sind, wenn auch in völlig anderer Aufstellung und Art ihrer Verwendung. Selbst bei zwei Werken des selben Komponisten kann dies oftmals beobachtet werden.
Wenn man aber nicht die klassische Musik als ein Genre auffassen kann, wie kann man diesen Begriff dann rechtfertigen und verwenden? Auch, wenn dies keine akademisch angemessene Beschreibung ist, kann zur Erklärung sicher gut festgestellt werden, dass sie eine Herangehensweise an die Musik ist. Die meiste Musik (die sogenannte Unterhaltungsmusik, so problematisch dieser Begriff auch ist) entsteht aus einem bestimmten Lebensgefühl, einem gewissen dominierenden Geschmack oder auch aus vorrangig kommerzieller Motivation. In jedem Genre, dies begann schon vor rund 100 Jahren im Jazz, gibt es auch Ausnahmen. Dagegen ist die klassische Musik nach dieser erläuternden "Definition" eher als sachliche und strukturierte Herangehensweise beschreibbar - die genaue Auseinandersetzung mit dem Aufbau der Musik, den Möglichkeiten, dem gezielten Hinterfragen aller Konventionen und weitere geistige Tätigkeiten erwirkten über die Jahrhunderte ein hohes Reichtum an anspruchsvoller und dennoch auch in ihren Emotionen oft lebensnaher Musikliteratur, welche die Einschätzung als ein Genre sehr fraglich erscheinen lassen.
Doch wenn - wie behauptet - diese Merkmale des Genres und der Gemeinsamkeit nicht auf die klassische Musik zutreffen, woher kommt es dann, dass nicht selten auch denjenigen, die keine große Nähe zur klassischen Musik haben, es so erscheint, als würden sich einige Werke zumindest so sehr ähneln wie mehrere Rap- oder Blueswerke untereinander? Eine Begründung hierfür ist der Epochalstil, welcher etwa den Umstand beschreibt, dass zur Barock-Epoche (grob 1600 - 1745) prunkvolle, ornamentierte Musik mit Kontrapunkt (keine Sorge, diesen Begriffen muss man nichts entnehmen können, um alleine Gefallen an der Musik zu finden; es soll eher verdeutlichen, dass es analytisch feststellbar ist, was es wann gab) vorherrschte, und trotz einiger Abweichungen und zeitlicher Entwicklung diese Merkmale die Musik dominierten.
Andererseits ist eine Begründung, dass auch in der klassischen Musik Formen existieren, die immer wieder aufgegriffen wurden, und Vorgaben zur Struktur eines Werkes äußern - wenn auch mit zunehmendem Verlauf der Zeit diese Vorgaben immer freier gedeutet wurden. Beispiele, die auch durch die alltägliche Sprache bekannt sind, sind etwa die Sonate, das Menuett oder der Walzer. Durch die grundlegende Ähnlichkeit zwischen allen Walzern ist es somit eher noch zu rechtfertigen, beim Walzer von einem Genre zu sprechen, als bei der klassischen Musik.
Ein nicht nur für Laien naheliegender Einwand könnte allerdings nun sein, dass das Genre ja auch durch die Instrumentation definiert wird, und diese bei der klassischen Musik ja durchgehend gleich ist. Ist sie das? Während die öffentliche Wahrnehmung die Instrumentation häufig auf Werke für Orchester oder für Klavier reduziert, ist auch die Wahl der genauen Instrumentation eigentlich Teil des zur klassischen Musik angesprochenen Merkmals der systematischen Herangehensweise: Den Orchesterinstrumenten wird eine durchaus gut nachvollziehbare Wirkung zugeschrieben, und in Abhängigkeit zu dieser die Wahl der Instrumente für einzelne Abschnitte vorgenommen. Ab dem 20. Jahrhundert war im Übrigen die klassische Musik der erste Bereich, der sich mit elektronischer Musik auseinandersetzte.
Ich hoffe, dass ich mit diesem Text verdeutlichen konnte, dass der ohnehin problematische Begriff der klassischen Musik weniger als ein Genre zu verstehen ist, und entsprechend seiner Vielfalt einen hohen Stellenwert in der Kultur generell, und so auch im Technetoismus, hat. Gleichwohl will ich nicht implizieren, dass die klassische Musik von höherer Bedeutung im Sinne eines Werts sei - die Panstilistik schätzt und erkennt an, dass gerade die vom Lebensgefühl bestimmte Genre-Musik oftmals zumindest genau diese Gefühle sehr gezielt und wirkungsvoll ausdrücken kann. Diese Achtung erfolgt dabei unabhängig von der Meinung zum Entstehungshintergrund und typischen Umfeld der Musik.
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